Hallo Dittmar,

mich beschäftigt gerade ein Blogger, der über für mich sehr lehrreiche spirituelle Themen schreibt. Er meint, die Ich-Illusion durchschaut zu haben. In letzter Zeit schreibt er aber auch viel über Politik und ruft zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen auf oder verlinkt zu Videos, in denen fragwürdige Virologen sprechen. Also so Verschwör- ungstheoretikerdings halt.

 

Anscheinend wurde er schon darauf hingewiesen, da er in einem Blogbeitrag schrieb, dass diese Texte von seinen Händen getippt werden ohne sein Zutun. Dazu meine Frage: Kann es sein, dass es einfach Arschloch-Körperverstand-Mechanismen gibt, Menschen, die die Ich-Illusion durchschaut haben, aber eben Trotteln sind? Oder liegt es an meiner Wahrnehmung? Ist meine Sicht der Dinge falsch und die es Bloggers richtig? Braucht das Leben Gleichheit, genau soviel rechts wie links?

Ich hoffe du weißt was ich meine ... LG

 

 

Liebe ...,

es gibt inzwischen ja sehr viele Menschen, die sagen, sie hätten „die Ich-Illusion durchschaut“ – und damit anscheinend sehr unterschiedliche 

Sachen meinen. Das kann intellektuelles Verstehen bedeuten („Auch Hirnforscher haben nachgewiesen …“) oder das Ergebnis einer Erkundung sein 

(„Ich bin nicht meine Gedanken, ich bin nicht meine Gefühle …“), und diese Erkenntnis kann auch von einem energetischen Flash begleitet gewesen sein, der sie sehr eindrucksvoll gemacht hat.

Dann kann diese Erkenntnis zu einer Philosophie werden. Zu einem Gedankenkonstrukt, gestützt durch die Erinnerung an die Erfahrung und die Gefühle dabei, und immer weiter genährt, weil diese Philosophie ja „funktioniert“ und in sich widerspruchsfrei bleibt.

 

Dadurch kann weiterhin die Identifikation mit 

Gedankenkonstrukten bestehen bleiben – und sogar verstärkt werden. Denn jetzt bin ich „der / die Erwachte“, der die Ich-Illusion hinter sich gelassen hat, im Gegensatz zu den Unerwachten, die es noch nicht kapiert haben. Jetzt scheint das, was „ich“ denke, als  etwas Besonderes, weil eben nicht von „jemandem“ gedacht, sondern einfach nur da oder „eingegeben“ vom Leben oder dem Universum, auf dieselbe Art, wie die Finger diese Gedanken nur tippen.

 

Dabei wird übersehen, dass das bei allen anderen genauso ist: Ein Gedanke / Konzept erscheint stimmiger als die anderen, das heißt: Die Emotionen reagieren mit einem „Passt“-Gefühl, und damit scheint der Gedanke "wahr“ zu sein. Wer dem Gedanken widerspricht, tja, der ist eben ein Schlafschaf, im Gegensatz zu mir Erwachtem. Weil ich „die Ich-Illusion durchschaut“ habe, ist meine Meinung weder „meine“ noch „Meinung“, nicht „eine Theorie, die hier geglaubt wird“, sondern die Wahrheit (bis Offenbarung).

 

Ich finde es sehr hilfreich zu unterscheiden: Was wird direkt erlebt? – das Jetzt-Erleben des Einen in den Erscheinungen –, und was sind Gedanken? – all diese Theorien und Konstrukte wie „Alles ist vorherbestimmt“, „Das Leben ist immer in Balance zwischen ‚gut‘ und ‚schlecht‘; wann immer etwas scheinbar ‚Gutes‘ passiert, kommt als Gegengewicht etwas scheinbar ‚Schlechtes‘“ und so weiter.

 Eine Atemmaske ist eine Atemmaske. Im direkten Erleben sehen wir ihre Farbe, ihre Beschaffenheit ... Erst in der Interpretation wird sie zu einem Symbol für Angst, Unterdrückung und Isolation – oder zu einem Symbol für Solidarität, Gemeinschaftssinn und Nächstenliebe. Wie die Maske interpretiert wird, hängt vom Denken ab, von seinen Theorien und seinem Weltbild.

 

Also: Wenn ein Mensch „die Ich-Illusion durchschaut“ hat und weiterhin ein Weltbild / Fremdbild / Feindbild voller Angst, Wut und Trennung projiziert (mit dem einzigen Unterschied, dass er jetzt sagt: „Das ist ja alles nur ein Spiel – für niemand; das spielt sich alles nur im Traum als Illusion ab“), dann vermute ich weiterhin eine Identifikation mit 

Gedanken, die er nicht durchschaut hat.

 

Das Erleben des Einsseins ist erfüllt von Liebe, 

nicht von Feindbildern. Das beschränkt sich nicht auf Gleichgesinnte. Ist da ein liebevolles, respektvolles Zusammensein mit anderen Menschen (= anderen Aspekten desselben Einsseins), auch wenn sie anderer Meinung sind als wir, oder sehen wir die als Schlafschafe, die halt noch nicht erwacht sind? Sehen wir unsere Meinung als Meinung oder als Wahrheit?

 

Soweit meine Meinung.

 

Liebe Grüße Dittmar

 

 

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