Als mein Freund Mariam mich fragte, ob ich einen Artikel zu dem obigen Thema schreiben wollte, dachte ich erst, das Thema wäre etwas überstrapaziert, uralt und alles darüber irgendwo schon gesagt worden. Aber irgendetwas reizte mich daran dann doch, denn es handelt sich um eine, wenn auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ganzheitliche und vielschichtige Frage.  Wir alle haben, egal wo sich jemand auf der Skala zwischen “ geistig-spirituell” und “materiell-weltlich” einstufen würde, etwas mit diesem Sachverhalt zu tun.

 

Man kann sagen, daß von Anbeginn des Lebens in der materiellen Welt, also von Geburt an, jeder Mensch ein in einem Körper lebendes geistiges Wesen ist. Gefühle, Empfindungen, Bewusstsein, Intelligenz, Intuition… all dies braucht einen Körper um auch gelebt und erfahren werden zu können - und somit ist jeder Mensch ein spirituelles Wesen in einer materiellen Welt. Und als ein solches Wesen verdient jeder Mensch gleichermaßen Liebe, Respekt und Anerkennung. Was der einzelne nun mit all diesen inneren Gaben macht, das steht auf einem anderen Blatt Papier - und dies macht den ganzen Unterschied. Doch erstmal der Reihe nach. 

 

Auch wenn sich jemand als ein spirituelles Wesen versteht, welches in einem menschlichen Körper inkarniert ist, lebt er dennoch gleichzeitig auch in einer materiellen Welt mit alldem, was so eine materielle Welt-Existenz mit sich bringt. Eine große Reihe materieller Bedürfnisse, die Liste kann lang, sehr lang sein. Der Körper muß ernährt werden, gekleidet, 

erhalten und unterhalten... Und um es nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen: unmittelbar mit diesen Bedürfnissen hängt auch unsere Erfindung des Geldes zusammen. Mit dieser aus dem ursprünglichen Tauschhandel hervorgekommenen Erfindung, haben wir uns langsam aber sicher und immer mehr, aus dem materiellen Zusammenhang des Wertes einer Ware und dem direkten Austausch von Waren gelöst. Dies bringt sicherlich viel Praktisches und Gutes mit sich, birgt aber auch viele spezielle Gefahren. Diese Gefahren waren und sind immer noch die selben geblieben und hängen mit der menschlichen Ignoranz bezüglich unserer Stellung innerhalb des Lebens und seiner Kreisläufe zusammen. Diese Ignoranz ist das Problem und nicht das Geld. 

 

Geld ist eine menschliche Erfindung, wie viele andere, die an und für sich weder gut noch schlecht ist. In der Natur gibt es so etwas wie Wertunterschiede und Abstufungen von Wichtigem nicht. Alles ist wichtig und gleichermaßen wertvoll und in einem lebendigen Zusammenhang eingebettet, in einem großen Ganzen. Eine Zypresse ist nicht mehr wert als ein Dornbusch und ein Kieselstein nicht weniger wert als ein großes Stück Granit. In der Entwicklung der menschlichen Spezies war es ein langer Weg bis es das Attribut “wertvoll” oder “ weniger wertvoll” in Bezug auf Dinge oder bestimmte Arbeiten gab. Es gab also bestimmte Vereinbarungen über den Wert einer Sache - und später auch über Sachverhalte, die mit materiellen Dingen nichts gemeinsam hatten, wie etwa der Wert bestimmter Tätigkeiten. So wie Gold oder ein Diamant auch nur den Wert haben können, den wir ihnen geben, kann ein Stück Papier oder eine Münze mit einer aufgedruckten Zahl nur einen Wert repräsentieren, den wir diesen Materialien vorher zugeteilt haben. Das Entscheidende beim Geld ist also was wir daraus im Äußeren und Sichtbaren, also im Materiellen, machen und gleichzeitig auch welchen Stellenwert wir ihm im Inneren, in unserem geistigen und lebendigen Erleben geben. Leider ist die einstige Vereinbarung über den künstlichen Wert eines Dings oder Sachverhalts immer mehr in Vergessenheit geraten und Geld ist zu einem Wert an und für sich geworden und dies ist das eigentliche Grundproblem. 

 

Auch hier ist das Bewusstsein für das Wesentliche und Essentielle im Leben entscheidend und dies hat etwas mit der jeweiligen geistigen Entwicklung des einzelnen Menschen und mit dem Prinzip “Haben oder Sein” zu tun. Wenig Geld oder viel Geld zu besitzen sagt zunächst nichts über einen bestimmten Menschen aus. Weder ist derjenige, der weniger besitzt, notwendigerweise spiritueller, noch muß derjenige, der mehr davon besitzt, in materieller Illusion verstrickt sein. 

 

Osho, der östliche Mystiker, der es oft mit seinen Äußerungen auf die Spitze trieb, wiederholte mehrmals, dass er der Guru der reichen Leute sei. Viele haben ihm dies verübelt  ohne die tiefere Bedeutung dieser Aussage zu erkennen. Eine Erniedrigung der Armut und Erhöhung des Reichtums? Mitnichten. Ohne darauf länger einzugehen, ist dies ein Seitenhieb für all diejenigen, die der Ansicht sind, das Geld a priori schlecht sei und Armut in der Welt eine höheres Gut. Der alte Zwist zwischen Geist und Materie, Psyche und Eros, zwischen Liebe und Sex, Ich und Gott, u.s.w. Es gibt keine natürliche Notwendigkeit für einen solchen Zwist und beide Aspekte können in perfekter und harmonischer Beziehung miteinander existieren - dieser Konflikt ist menschengemacht und rührt aus der unbewußten Identifikation mit der materiellen Welt und all ihren Gesetzen, wie Vergänglichkeit, Unsicherheit, Furcht vor dem Tod u.ä. Der jeweilige Grad der Anhaftung an die Macht dieser Materie und insbesondere an die Macht des Geldes, und umgekehrt ebenso der Grad der Loslösung davon, ist der entscheidende Faktor. 

 

Das eigentliche Problem, das wir als geistige Wesen hier in der materiellen Welt erleben und sehr oft darunter leiden,  rührt also genau daher, dass wir unsere eigentlichen innere Essenz und Heimat, unsere ewige Identität vergessen haben. Wir haben unser inneres essenzielle Leben vergessen, sehen uns als Körper und den Gewalten und Geschehnissen der materiellen Wirklichkeiten ausgeliefert.

 

Dies ist kein Plädoyer über die böse Welt, nein, nein. Es ist nur eine faktische Aufzählung, was es bedeutet in der materiellen Welt zu leben. Es ist daher sehr wichtig, überlebenswichtig, sehr gut und genau zu beobachten: Gesetzmäßigkeiten, Regeln, Kreisläufe, Zusammenhänge….alles, was zum Leben gehört. Man kann sehen, dass alles, was sich inkarniert, sich selbst, die innere Verbundenheit mit sich selbst, vergisst und es ist gut so. Denn freiwillig würde wohl kaum ein  fühlendes und bewußtes Wesen, sich auf diesen materiellen Kampf zwischen Leben und Sterben, Freude und Unglück und ebenso: arm und reich, einlassen. Es sei denn, wir haben ein paar offene Punkte, ein paar unerledigte Erfahrungen, die wir noch zu klären hätten: Neid, Gier, Haß und Ignoranz. Letztendlich leiden wir alle an diesem “mehr” und “weniger” und haben es als Spezies bei weitem noch nicht gelernt, uns als Teil des Wunders zu sehen und zu begreifen - Teil des Wunders des Lebens auf diesem wunderschönen Planeten. Schon die Tatsache, dass es überhaupt Leben gibt, diesen steten Wandel und unbegreiflich Schöne in unendlich vielen Variationen, an welchen ich teil habe, sollte das Herz eines “spirituellen” Menschen höher schlagen lassen. Und das großartige Geschenk des Bewusstseins, das Größte was das Leben überhaupt hervorgebracht hat, haben wir immer noch nicht angenommen und flirten allenfalls damit. Materielles Leben heißt die materiellen Gegebenheiten wahrnehmen und bestimmte Gesetzmäßigkeiten, die die Materie zusammenhalten zu akzeptieren. Dazu gehören körperliche Wahrnehmungen wie Hunger, Durst, Kälte, Wärme, Möchten, Wollen, Begehren u.v.m. Dazu gehören auch ein Kommen und Gehen, Freude und Leiden, Gewinn und Verlust, Lachen und Weinen - und Leben und Tod. All diese Funktionen übernimmt unser wunderbarer Körper übrigens selbst - wir werden hierzu gar nicht benötigt. Er weiß wann er hungrig ist, wann es ihm kalt ist und er weiß, wenn er etwas möchte. All dies ist Leben in der Materie - ich fange erst dann an zu leben, wenn ich mir meiner Selbst, meiner Existenz und meines Herzens bewußt bin. Vorher lebt die wunderbare und schöne Maschine, ich lebe erst dann, wenn Ich Bin! 

 

Und noch einmal: es ist nichts verkehrt mit der materiellen Welt! Da gibt es einfach Gesetzmäßigkeiten und Realitäten innerhalb dieser Dimension, die nun mal so sind wie sind und kein Mensch hätte es besser machen können. Daher können wir den lieben Gott auch gerne aus dieser Verantwortung oder Anklage, dass er die Welt nicht sehr gut durchdacht hätte und warum er soviel Leid zulässt, als unschuldig entlassen. Nicht Gott hat die Welt und das Geld erfunden, sondern wir Menschen. Wir haben uns hier diese Geld-Suppe mit dem “viel” und “wenig” eingebrockt. 

Dennoch ist es wichtig, der materiellen Existenz hier auf dieser Erde, nicht den spirituellen Rücken zu kehren, sondern der Welt so begegnen, wie es sich für ein bewußtes, liebendes menschliches Wesen gebührt: mit Achtung, Respekt und Mitgefühl. Und zu versuchen jeden Tag, jede Situation als eine neue hervorragende Herausforderung zu erleben, nicht aus der Angst und aus dem Neid, sondern aus der Gesamtheit und Fülle des Herzens, der Bewusstheit zu leben. Dann macht dieses Leben übrigens wirklich Spaß und hat einen sehr schönen und unbeschreiblich tiefen Sinn. Die eigenen Schatten-Punkte und Schatten-Bereiche zu sehen und zu erfahren, weshalb wir uns so und nicht anders fühlen und agieren…spannend und herrlich!

 

Ich liebe es, wie Jesus dieses Thema mit dem Satz ausdrückte: “Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist!” Er meinte nicht, geht hin und ruft zur Revolution auf, schafft den Kaiser dieser Welt ab und setzt den wahren spirituellen Kaiser der ewigen Welt auf den Thron. Es ermahnt auf eine sehr einfache und schöne Weise, dass wir die Spielregeln dieser Welt erkennen, durchschauen  und beachten sollten, wenn wir inneren Frieden wollen. Hier hilft keine äußere Revolution, so schön es uns auch manchmal erschiene.

Und wenn man dann “Geld" einfach nur als potentiellen Wert des täglichen Handelns sieht, mit dem man weder Leben, Liebe oder Sicherheit kaufen kann und “Erfolg" als ein in unseren Herzen bereits vorhandenes Glück, dann ist sowohl Geld als auch Erfolg hier und jetzt in diesem Körper, in diesem materiellen Leben, bereits integriert. Solange wir aber Erfolg, Gewinn oder Sinn des Lebens als etwas Äußeres sehen und dieses womöglich auch noch mit der Anhäufung von Geld erreichen möchten, wird das Dilemma und Leid an der Illusion der Welt bestehen. Die Welt ist unschuldig und sie dreht sich doch!

 

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